Die Überführung

20.April 2008 - Das "Fräulein" wird abgeholt.

Endlich ist es soweit. Andrea, Jürgen, Rainer und Tomas fahren gemeinsam mit dem Zug nach Schleswig. Das Wort "Lokführerstreik" ist fast noch ein Fremdwort und so kommen wir ohne Probleme und pünktlich in Schleswig an. Das bestellte Taxi wartet bereits und bringt uns schnell und bequem zum Hafen Brodersby. Die letzten Vorbereitungen werden getroffen, die Gepäckstücke verstaut, Proviant und Trinkwasser gebunkert und dann endlich werden die Leinen losgeschmissen.

Ein kalter, sonniger Frühjahrstag mit klarer Luft empfängt uns auf der Schlei




Der erste Schlag auf der Ostsee

Weiter geht die Reise bis zur Eisenbahnbrücke Lindaunis. Hier gilt es zu warten. Nach ca. 30 Min. überquert mit lautem Gepolter ein Güterzug die Schlei. Kurze Zeit darauf öffnet sich für uns Wassersportler die Brücke und wir fahren weiter bis zur Klappbrücke in Kappeln. Zwischen beiden Öffnungszeiten der Brücken liegt knapp eine Stunde und man muß schon die Hebel auf den Tisch legen, um durch beide Brücken in einem Rutsch durch zu kommen. Bei dem herrlichen Frühlingswetter kein Genuß. 

Nach dem Stadthafen Kappeln legen wir uns in den Hafen von Henningsen & Steckmest. Ein idyllisches Plätzchen wo es immer etwas zu gucken gibt.

Die Wartezeit wird genutzt.

Die Nacht ist sehr kalt, aber die an Bord befindliche Dieselheizung konnte so ihren ersten guten Dienst beweisen. Es geht am Morgen weiter nach Schleimünde und dann nach Kiel. Die Überfahrt ist ziemlich ruppig und aus der Eckernförder Bucht weht uns eine steife Brise entgegen, sodaß wir froh sind in Kiel Holtenau im Windschatten für eine Nacht liegen zu können. Bei einem gepflegten Bier werden Pläne für die Weiterfahrt geschmiedet. Die Fahrt durch den Kanal wird zum Abziehen der Scheuerleiste genutzt. Entsprechendes Werkzeug und Schmirgelpapier wurde bereits in Hamburg eingepackt.

Eckernförder Bucht

Das schöne Wetter veranlaßt uns die Fahrt nach Hamburg in aller Ruhe durchzuführen. Und so werden wir auch noch einen Zwischenstop im Gieselaukanal machen. Genauer gesagt, vor der Schleuse des Kanals. Ein sehr seltener Anblick empfängt uns, denn es gibt nur noch ein weiteres Boot hier am Schlengel. In den Sommermonaten kann man froh sein, wenn es noch Platz im Päckchen gibt.

Gieselaukanal im Frühjahr 2008

Die kommende Nacht ist nicht viel wärmer, als die in Holtenau. Frischen Mutes geht es aber am kommenden Tag weiter. Die Frühlingssonne empfängt uns wieder im NOK, ebenso wie die Schleifarbeiten am Süllrand. Während wir dahin tuckern, bereite ich für uns ein Frühstück vor. Natürlich mit Spiegeleiern und Speck, heißem Kaffee / Tee, Brötchen und all den Dingen die ein Seglerherz erfreuen. Abwechselnd geht die Manschaft runter zum Genießen, bis ein lauter Schrei vom Rudergänger kommt, der ansagt, das wir von einem Dampfer überholt werden, der einen großen Schwell hinter sich herzieht. Da geht es auch schon los. Der Schwell trifft uns seitlich, sodaß wir ordentlich ins Schwanken geraten. Gerade eben nimmt jeder das in die Hände was er schnell greifen kann und so können wir das Schlimmste an Dreck auf dem Fußboden verhindern. Aber man lernt ja bekanntlich dazu und so wird der wieder gedeckte Tisch mit den mitgelieferten Schlingerleisten gesichert.

Der neue Morgen auf dem NOK

Mit vielen interessanten Eindrücken geht die Reise weiter bis nach Brunsbüttel. Wegen der Tide auf der Elbe haben wir noch Zeit und Gelegenheit in Brunsbüttel ein paar Besorgungen zu machen. Zur kommenden Flut gehen wir durch die Schleuse. Wer die Schleusenkammern des NOK's kennt weiß wovon ich spreche. Die von vielen Sportschiffern verhaßten Schwimmschlengel an den Mauern. Sie bestehen aus Holzstämmen, durchbolzt mit dicken  Eisenankern die eigentlich so tief im Holz sein sollten, das kein Rumpf zu Schaden kommen kann. Wie das Glück es so möchte, fahre ich so dicht an die Stämme heran, das ich prommt einen Eisenbolzen treffe der mit seiner Unterlegscheibe ein paar Milimeter heraussteht. Mitschiffs fahre ich mir auf einer Länge von ca. 20cm eine tiefe Schramme in die Bordwand. Na prima. Ausgerechnet mit dem neuen Boot.

Die Laune auf dem Tiefpunkt geht es nun weiter nach Glückstadt, das letzte Ziel unserer Überführungsreise.

Interessante Eindrücke auf dem NOK

Am Abend genießen wir gemeinsam den Glückstädter Matjes. Im "Kandelaber" gibt es eine gute Matjesauswahl mit einem gepflegten Bier. Ein Genuß.

Nun kommt die letzte Etappe unserer Überführung. Bei absoluter Flaute schippern wir gen Osten, um hinterm Pagensand durch das "Dwarsloch" zu fahren. Bei auflaufend Wasser kein Problem und ein optischer Genuß.

Mondlandschaft im "Dwarsloch"

Pfingstausflug 2008

Der erste Ausflug mit dem „Fräulein“ wird Pfingsten 2008 sein. Herrliches Wetter und das neue Boot verlocken zu einem verlängerten Wochenende. Gemeinsam mit Seglerfreunden wollen wir nach Wischhafen, ein kleiner Fährhafen auf der südlichen Elbseite, gegenüber von Glückstadt. Die erste Nacht wollen wir jedoch im „Dwarsloch“ vor Anker verbringen. Ein kleiner Seitenarm der Elbe, der zum alten Haseldorfer Hafen führt. Bei Wassersportlern ein beliebter Platz zum Ankern.

Unsere Freunde kennen sich hier bestens aus und es wird schnell ein Platz gefunden an dem man über Nacht gemeinsam auf einem Anker liegen kann. Sehr wohl ist mir bei dem Gedanken nicht, aber wer nicht wagt…. Das gemeinsame Abendbrot schmeckt, das Bier und der Wein ebenfalls und so trollt man sich irgendwann in die Koje. Beim Einschlafen merke ich, daß es nicht am getrunkenen Bier liegen kann, das ich das Gefühl habe, das der Kahn sich ganz langsam nach Backbord legt. Gedanklich bin ich fest der Meinung, daß dieser Zustand nicht lange anhält und das Schiff sich gleich wieder aufrichten wird. Aber hier sollte ich mich täuschen. Langsam aber bestimmt rolle ich in meiner Koje gegen die Backbordwand und der Zustand nimmt unangenehme Formen an, zumal auch meine bessere Hälfte sich im Tiefschlaf Richtung Backbord bewegt. Um Madame nicht zu wecken, schleiche ich mich vorsichtig aus meiner Koje um die Lage draußen zu peilen. Ein erschreckender Anblick erwartet mich. Unser „Fräulein“ liegt wohl offensichtlich auf einer Schlickkante und ist durch das ablaufende Wasser nach Backbord auf das Nachbarschiff gekippt. Die Masttops stehen kurz vor dem Verhaken und die Wanten scheuern aufeinander und spielen bei jeder Welle die vom Fahrwasser kommt das Lied vom Teufelsgeiger. Das Wasser läuft immer noch ab und es ist kein Ende des Dramas in Sicht. Zum Glück hatten wir uns gut abgefendert und so bleibt der entstandene Schaden relativ klein. Mit unserer verbogenen Relingsstütze haben wir am Nachbarboot eine kleine Schramme hinterlassen, die aber beim Stahlboot nicht weiter ins Gewicht fiel.

Die Reise sollte nun über Glückstadt weiter nach Wischhafen gehen. Ein beschauliches Städtchen an der südlichen Elbseite und bekannt durch den Fähranleger der auch gerne mal im Verkehrsfunk durch lange Wartezeiten erwähnt wird.

Unser Liegeplatz gestaltete sich ebenfalls als etwas problematisch, denn auch hier war in den kommenden Nächten Schieflage angesagt. Wir lagen wieder einmal unglücklich auf einer Schlickkante.



Alles auf 45°
Dumm gelaufen

Die ersten Umbauten

Beim Kauf des Schiffes fanden wir ein heilloses Durcheinander der Kabel vor. Jedes nautisches Gerät wurde einzeln per Kabel nach draußen geführt und dort befestigt. Für die Überfahrt kein Problem, aber auf Dauer kein Zustand. Wenn man schon mal dabei ist, dann auch richtig hatte ich mir gesagt. So wurde die komplette Elektrik neu gestaltet und verkabelt. Für Lot, Logge, Autopilot und GPS entstand ein neues Armaturenbrett, das bei Bedarf auf das Schiebeluk gesteckt werden kann. So hat man einen konzentrierten Blick auf alle Instrumente, die sich bei Nichtgebrauch im Inneren des Schiffes befinden und auch dort notfalls abgelesen werden können.

Antennenkabel wurden neu verlegt, überflüssige Kabel, die ins Nichts führten entfernt. Eine neue Funke mit Außenanschluß mußte ebenfalls herhalten, wie auch ein komplett neues Schaltpaneel mit entsprechenden Sicherungen und Anzeigeinstrumenten. Viel Arbeit für viele Wochen. Das fertige Werk konnte sich dann aber sehen lassen. Alles funktionierte und war bereit für die erste große Tour in die Eider.



Kabelsalat
Neu gestaltete Technik

Eidertour im Sommer 2008

Ende Mai sollte es nun zur ersten großen Tour gehen. Gemeinsam mit Freunden wollten wir gemeinsam die Eider befahren. Seglerisch nicht sonderlich aufregend, aber um ein Schiff zu erproben bzw. kennenzulernen ein ideales Revier. Kaum Verkehr, ein paar kleine Schleusen und ansonsten viel Ruhe und Müßiggang. Unser Ziel war Friedrichstadt, eine kleine Ortschaft holländischen Ursprungs.

Über die Elbe bis Brunsbüttel konnten wir noch herrlich segeln und nach den Schleusen war bis KM 40,5 nur noch motoren auf dem Nordostseekanal angesagt. Wenn der Wind von achtern kam setzten wir zusätzlich die Fock und schon geriet unser Fräulein in Rauschefahrt. Im Gieselaukanal machten wir unseren ersten Halt, um am nächsten Morgen durch die Schleuse in die Eider zu gelangen. Alle Schleusenfahrten waren ein gutes Training für das An-und Ablegen. So manches Manöver ging dann auch völlig daneben, denn die Umstellung von unserem alten Boot zum Neuen war doch gewaltig. Durch den langen Kiel ist das Fräulein bei einigen Manövern doch etwas bockig und fährt gerne einmal dahin wo man es nicht so gerne möchte. Aber nach 10 Tagen hatten wir uns trotz einiger Wutausbrüche meinerseits aneinander gewöhnt und kommen mittlerweile recht gut miteinander aus.



Die Eider kurz vor Friedrichstadt

Die Begegnung zweier großer Damen

Die Sommertour wurde erfolgreich abgeschlossen und trotz vieler Wutausbrüche über die manchmal auftretende Bockigkeit des Fräuleins, hatten wir uns entschlossen, das Schiff nun doch zu behalten. Ein geflügelter Begriff in unserer Familie, den ich beim ersten Versuch des Skilaufens prägte, als ich vergeblich versuchte einen Hügel hinunter zu kommen und am liebsten meine neuen Skier wieder verkauft hätte. Aber mittlerweile schaffe ich auch Berge, allerdings auf anderen Skiern.

Meine Kapitänöse und ich wollten ein paar freie Tage nutzten, um noch einmal einen kleinen Abstecher nach Cuxhaven zu unternehmen. Die Tide forderte ein sehr frühes Aufstehen und so wurden völlig verschlafen um 4°° die Leinen losgeschmissen. Häufig wird man aber mit wunderschönen Sonnenaufgängen und Lichtstimmungen für solche Mutproben belohnt. Und so war es auch an diesem Morgen. Leichter Dunst und eine glutrote Sonne ergaben eine unwirkliche Stimmung an diesem Morgen. Unser frühes Aufstehen wurde durch einen weiteren Bonuspunkt abgerundet. Ungefähr in der Höhe der Rhinplatte – querab von Glückstadt hatte sie uns.

Als Königin der Meere überholte uns die Queen Mary 2. Majestätisch glitt sie wieder einmal an uns vorbei. Wir waren fast bei jedem ihrer Besuche in Hamburg dabei. Und nun auch an diesem schönen Spätsommermorgen. Lange konnten wir ihr hinterher schauen bis sie dann ab Brunsbüttel am Horizont verschwand. Ein tolles Erlebnis.

Völlig erfüllt kamen wir in Cuxhaven an um uns dort mit Freunden zu treffen, die dort auch winkend dem Ozeanriesen Lebewohl gesagt hatten. Es folgten ein paar entspannende Tage in Cuxhaven und anschließend in Otterndorf, bis es dann wieder zurück nach Hamburg ging.



Morgens um 5°° ist die Welt noch in Ordnung

Krantermin 2008

Das Segeljahr neigte sich unaufhaltsam dem Ende entgegen. Auf unseren Wunsch hin kamen wir recht spät aus dem Wasser. Schließlich wollten wir jede Gelegenheit nutzen um mit dem Schiff etwas zu unternehmen. Aber die Tage wurden kürzer und kälter, sodaß es wirklich kein Vergnügen mehr war auf dem Wasser unterwegs zu sein. Der Krantermin rückte näher und schließlich war es dann soweit. Der Mast wurde gezogen und auf die vorbereiteten Böcke an Bord gelegt. Ein paar Tage später hing das Fräulein ohne Erbarmen am Kran und ihre 4,5 Tonnen Lebendgewicht wurden auf einem Stahlgestell abgesetzt. Mittels Hochdruckreiniger wurde das Unterwasserschiff gereinigt und per Unimog, Gestell und Schiff in den wohlverdienten Winterschlaf verfrachtet.



Ende der Saison

Ab in den Winterschlaf